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Prolog zum Buch "India Rev!"

 

VOM WIEDERFINDEN DER BILDER

So wie die Augenblicke im Erzählen und Schreiben schemenhaft nach so vielen Jahren wiederaufgetaucht sind, so war es am Ende, nachdem das Manuskript schon längst fertig war, mit den Fotografien: Ich wußte, daß sie irgendwo versteckt waren, aber ich wußte nicht mehr genau wo. Und was auf diesen winzigen und wenigen Dias tatsächlich zu sehen war.

Als ich sie dann wiederfand, war ich erstaunt wie wenig Überflüssiges darauf abgebildet war – und wie viel sie auslösten und mit den traumähnlichen Erinnerungen, die hier erzählt werden, gemeinsam haben. Damals fühlte ich mich noch nicht als Fotograf, die wenigen Mini-Slides (2 Filme in einem mikroskopisch kleinen Compact-Format)  entstanden nebenbei, und nur sporadisch, später habe ich sogar die Camera verschenkt. Allerdings entstanden in dieser Zeit, kurz vor der Indien-Reise in Italien, die ersten Bilder, mit denen ich auch viele Jahre später noch zufrieden war.

Auch im Schreiben gab es erstaunliche Entdeckungen: Die ersten Seiten, handschriftlich auf Papier geschrieben, hörten sich an, als ob der jugendliche Kerl von 1978 auftauchten würde: Leichtfertig und unausgereift, eben wie die Jugendszene der 70er Jahre. Wie war das möglich? Es war mir ein bischen peinlich, daß die Sprache so juvenil erschien, allzu einfach, nicht wie der Stil, den ich inzwischen im höheren Alter entwickelt habe. Beim Weiterschreiben mit der Tastatur am Mac verlor sich dieser Effekt zum Teil, aber die spontane Einfachheit ist geblieben. Alles lief geradewegs aus mir heraus wie bei einer archäologischen Entdeckungsreise, bei der man - einmal getroffen - schnell das Ausmaß der Funde erkennt. In kurzer Zeit saß ich vor einem Text, der sich gegen jede „Erweiterung“ oder „Verbesserung“ sperrte. Das Material zeigte sich als ursprünglich „wie ein trockenes Stück Holz“.

Die nachträglichen Ergänzungen mit den knappen Aufzeichnungen aus meinem Kalender (den ich erst nach dem Schreiben des Haupttextes las, um nicht Vorgegebenem folgen zu müssen), dem kleinen roten Notizbuch und das Hinzufügen der winzigen Dias (meine ersten, „unbewußten“ Fotografien) haben diesen Aspekt der „Rohheit“ nicht verändert – nur deutlicher gemacht, daß es nicht nur die schönen Seiten gab, wie die Erinnerung oft vorgaukeln möchte, sondern auch Anstrengung, Erschöpfung, Ratlosigkeit und die zaghaften Schritte in unbekanntes Gebiet.
So soll India Rev! mir selbst und allen, die lesend und sehend mit auf die Reise gehen, Mut machen, neue Reisen zu unternehmen und das Unsichere zu mögen, das entstehen kann, wenn wir einen Ort - draußen und in uns - zum ersten Mal betreten.

Michael Adams